Ein Jahr nach Dioxin-Skandal: Aigners Aktionsplan gescheitert – Keine Maßnahme umgesetzt, die Lebensmittel-Belastung verhindern kann – foodwatch-Report analysiert Zehn-Punkte-Plan

Berlin (ots) – Ein Jahr nach dem Dioxin-Skandal hat Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner keine einzige Maßnahme umgesetzt, die einen solchen Fall in Zukunft verhindern kann. Sechs Vorhaben aus ihrem Zehn-Punkte-Plan sind nach heutigem Stand als weitgehend wirkungslos einzustufen, die anderen vier als vollständig wirkungslos. Zu diesem Ergebnis kommt der Report „Chronisch vergiftet“, den die Verbraucherorganisation foodwatch heute veröffentlichte.

Nur eine der angekündigten Maßnahmen, die Verpflichtung der Futtermittelbetriebe zu umfassenden Dioxintests, war potenziell geeignet, Dioxineinträge in die Nahrungskette zu vermeiden – ausgerechnet diese wurde jedoch seit Vorstellung des Aktionsplans im Januar 2011 bis zur Wirkungslosigkeit abgeschwächt. Auch bei der zeitlichen Umsetzung des eigenen Plans ist Ministerin Aigner am selbst formulierten Anspruch gescheitert, „mit Hochdruck“ mehr Sicherheit für Verbraucher durchzusetzen: Ein Jahr nach dem Skandal sind von den zehn angekündigten Regelungen bislang nur vier überhaupt in Kraft getreten.

„Die lückenlose Test-Pflicht aller Futtermittelbestandteile als einzige potenziell wirkungsvolle Maßnahme wurde mithilfe von Verfahrenstricks vorbei an der Öffentlichkeit soweit verwässert, dass von der Ankündigung nur noch die Überschrift übrig ist – und unter dieser Überschrift heute etwas ganz anderes umgesetzt werden soll, als im Aktionsplan versprochen“, erklärt Matthias Wolfschmidt, stellvertretender foodwatch-Geschäftsführer. „Der Rest ist reine Symbolpolitik, die entschlossenes Handeln nur vortäuscht, ohne die Futtermittelindustrie an die Kandare zu nehmen.“

Der Aktionsplan und seine Umsetzung sind ein Lehrstück für organisiertes Politikversagen:

– Folgenlose Meldepflichten: Wenn ein Futtermittelbetrieb selbst Grenzwertüberschreitungen meldet, geht er straffrei aus – auch dann, wenn die Anzeige erst erfolgt, nachdem die dioxinbelasteten Futtermittel längst verkauft und verfüttert wurden. Das Präventionsziel wird damit ad absurdum geführt – wie der Fall dioxinbelasteter Zuckerrübenschnitzel im November 2011 zeigt, als ein Unternehmen die Testergebnisse erst anzeigte, als belastete Futtermittel bereits verkauft und verfüttert waren.

– Manipulative Chargengrößen: Für Futterfette und -öle sollen den Herstellern chargenweise Dioxintests vorgeschrieben werden. Hier stellt sich die Frage: Was genau ist eine Charge? Im ersten Verordnungsentwurf der Bundesregierung hieß es: Maximal 200 Tonnen. Heute soll europaweit eine Chargengröße von bis zu 2.000 Tonnen festgeschrieben werden – das entspricht etwa 100 Lkw-Ladungen. Bei so großen Mengen für Stichproben sind der Manipulation Tür und Tor geöffnet.

– Lückenhafte Testpflichten: Eingangstests sollen nur für Fette und Öle vorgeschrieben werden, andere Futtermittelbestandteile bleiben von jeder Testpflicht ausgenommen – darunter fallen die belasteten Zuckerrübenschnitzel, die den Dioxin-Fall im November 2011 ausgelöst hatten, genauso wie die kontaminierten Maiskörner, die im Mai 2010 zu Dioxin-Funden in Bio-Eiern geführt hatten. Die illegale Verdünnungspraxis, bei der belastete Zutaten in Mischfuttermitteln vermengt werden, ist weiterhin problemlos möglich.

– Symbol-Maßnahmen: Andere Maßnahmen des Aktionsplans hatten von vornherein lediglich Alibi-Charakter. So wurde der Bußgeldrahmen für Verstöße gegen das Futtermittelrecht von 50.000 auf 100.000 Euro erhöht – allerdings wurde schon der bisherige Rahmen nicht annähernd ausgeschöpft. Der Dioxin-Skandal Ende 2010/Anfang 2011 hat bislang nicht einmal ein Strafverfahren nach sich gezogen. Auch Maßnahmen wie eine Positivliste für Futtermittelzutaten können Dioxineinträge nicht verhindern – die meisten Fälle gehen auf Zutaten wie Fette, Getreide oder Zuckerrübenschnitzel zurück, die eine solche Positivliste nicht ausschließen würde.

foodwatch fordert die Bundesverbraucherministerin auf, ihrer Verantwortung für die Gesundheit der Verbraucher nachzukommen und die einzige wirkungsvolle Maßnahme zur Vermeidung von Dioxineinträgen ohne Abstriche umzusetzen: „Die Betriebe müssen verpflichtet werden, lückenlos alle Bestandteile ihrer Futtermittel auf Dioxin zu testen“, so Matthias Wolfschmidt. „Erst, wenn die Testergebnisse vorliegen, dürfen die Zutaten verarbeitet werden – und bei Grenzwertüberschreitungen muss gegenüber den Behörden die Vernichtung der belasteten Chargen nachgewiesen werden.“

Report zum Download: www.foodwatch.de/presse

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