Wenn Gerd Ripp auf der Terrasse seines Schlosshotels sitzt – was in den letzten 30 Jahren selten vorkam – und den Blick weit hinunter in das Rheintal oder auf den direkt gegenüberliegenden Loreley-Felsen schweifen lässt, mag man ihm den Gedanken „Ich habe es geschafft“ zutrauen. Tatsächlich war der Weg des gelernten Kellners bis zum Direktor und Besitzer des Romantik Hotel Schloss Rheinfels in St. Goar ein weiter und nicht immer einfacher. Doch von solcher ‚Romantik’ im persönlichen Sinne ist der 55-Jährige meist weit entfernt: „Stolz? Letztlich habe ich immer nur das gemacht, was ich in der jeweiligen Situation für richtig hielt. Dabei hatte ich – meistens zumindest – immer Glück. Das ist keine Kunst – vielleicht Mut, ja. Und‚ geschafft’ hat man es im Grunde nie, es geht immer irgendwie weiter.“
Eigentlich wollte Gerd Ripp mit dem Start als Geschäftsführer im Jahre 1982 nur für etwa ein Jahr im Schlosshotel bleiben, um dann die Karriereleiter in anderen Häusern weiter zu besteigen: Sein bis heute unerfüllter Wunsch war und ist es, auf dem Sessel im Direktorenzimmer des New Yorker Hotels Waldorf Astoria Platz nehmen zu dürfen – und sei es nur für einen einzigen Tag. „Aus diesem einen geplanten Jahr wurden 30 und ich bereue kein einziges davon – haben mir doch die Vorbesitzer der Schlosshotelanlage – die Familie Homann – alle Möglichkeiten der Vervollkommnung dieses außergewöhnlichen Hauses gegeben“, blickt Ripp zurück. „Inzwischen ist ein Traumhotel entstanden, das ich so schnell nicht mehr aus den Händen geben möchte.“
2003 übernahm der passionierte Hobby-Zauberer das damalige Drei-Sterne-Hotel aus seiner dortigen Position als angestellter Direktor gemeinsam mit seiner Frau Petra als neuer Besitzer, führte es innerhalb weniger Monate zum vierten Stern sowie dem Titel „Superior“. Gleichzeitig entwickelte er ein neues Konzept für das in Teilen historische Anwesen und etablierte es als eine ‚der’ deutschen Tagungsadressen, was unzählige Auszeichnungen, Titel und Awards belegen.
Außergewöhnlich beendete der in Kerpen geborene Ripp bereits seine Ausbildung: Als jüngster Hotelbetriebswirt Deutschlands verließ er die Berliner Hotelfachschule „mit Auszeichnung“. 2004 wurde er als erster Hotelier überhaupt in den Wirtschaftssenat des Bundesverbandes mittelständischer Wirtschaft berufen. Zu seinen weiteren Titeln gehören unter anderem die Goldene Ehrennadel der Chaine de rotiseur, Ritter der Confèrie du sabre d`or, die DEHOGA Ehrennadel oder TOP 100 der besten Arbeitgeber im deutschen Mittelstand.
„Die vielleicht spannendste Phase war wahrscheinlich die damalige Problematik zur Finanzierung der Übernahme des Hotels“, erzählt der einstige Koch und Kellner. „Keine Bank wollte mir für das Projekt Geld geben – ich habe vor Schreibtischen in mehreren Banken gesessen und oft ein unerhörtes Verhalten mir und meinem Konzept gegenüber erlebt. Die Odyssee reichte über Wiesbaden bis nach Frankfurt. Trotzdem große Eile geboten war, standen doch Hotelketten von Ruf bereits Schlange, habe ich am Ende doch eine gefunden: Die Kreissparkasse unserer Kreisstadt Simmern konnte ich überzeugen – sie ist bis heute natürlich unsere Hausbank geblieben. Diese Erfahrung hat mich sehr geprägt.“
Für Aufsehen erregte der in der Branche als „Innovator und Querdenker“ bekannte Ripp, als er vor einigen Jahren zur zusätzlichen Kapitalabdeckung mit der „Rheinfels-Aktie“ rund 50 seiner Stammgäste nach Einlage zu Genussschein-Besitzern mit Zinsausschüttung und VIP-Status machte. Das Projekt ging auf, das nötige Geld kam zusammen, alle sind zufrieden und Ripp schaffte es mit seiner Idee bis in die Wirtschaftswoche sowie das Handelsblatt. Zwischendurch veröffentlichte er sein zweites Buch mit dem Titel „Gegen den Strom zur Spitze“, unterrichtet an der Hotelfachschule in Koblenz oder baut sein komplettes Schlosshotel zum ersten elektrosmogfreien Hotel Deutschlands um.
Unterhaltungs- und TV-Qualitäten bewies der Schlossherr, als er 2007 zusammen mit seiner Hausdame als Kandidatenpaar in der ARD-Quizshow mit Jörg Pilawa auftrat: „Wir hatten historisch-mittelalterliche Gewänder an und es war ein riesiger Spaß“, schwärmt er. „Zwar war bei 10.000 Euro Schluss, aber für eine tolle Mitarbeiterparty hat das allemal gereicht.“ Zwei Jahre später startet Ripp sein Online-Portal (wir-trotzen-der-Krise.de) und sorgte damit als einer der ersten in der Branche für konstruktiven Optimismus, einen anhaltend regen Zuspruch sowie eine Sammlung innovativster Verkaufs- und Marketing-Ideen, die in seinem Hotel erfolgreich umgesetzt wurden. „Das war wirklich erstaunlich, welche pfiffige Vorschläge hier veröffentlicht wurden. Besonders freue ich mich, dass wir – da immer alles frei einsehbar ist – auch andere Hotels für neue Aktionen begeistern konnten und können.“
Ganz passend zu seiner Unkonventionalität begeht der leidenschaftliche Hotelier nun auch sein 30. Jubiläum auf Rheinfels: „Fördern statt Feiern“ lautet sein für dieses Jahr ausgerufene Motto. Er verzichtet auf die große Party und – setzt sich stattdessen aktiv für die Nachwuchsförderung in der privaten Hotellerie und Gastronomie ein. So ist eines seiner aktuellen Projekte die Aktion „Jubiläums-Hauswein“, den es bis Dezember 2012 im Schloss-Restaurant „Auf Scharffeneck“ und im Gourmet-Restaurant „Silcher Stuben“ zum Sonderpreis von 20 Euro statt 30 Euro pro Flasche gibt. Den Differenzbetrag nimmt das Hotel aus seinen Umsätzen heraus und zahlt ihn auf ein Sonderkonto ein, dessen Guthaben dann der Nachwuchsförderung in der privaten Hotellerie und Gastronomie zugute kommen wird. „Anstelle einer pompösen Feier habe ich mich entschieden, lieber einen Beitrag zur wichtigen Nachwuchsförderung zu leisten. Mit jeder bestellten Flasche Hauswein spart der Gast so nicht nur, sondern tut auch noch aktiv etwas Gutes“, freut sich der Jubilar.
Gefragt nach seinen nächsten Projekten hüllt sich der Chef von rund 80 Mitarbeitern nicht in Schweigen: „Mit der vielfachen Erfahrung hier im ‚Welterbe Oberes Mittelrheintal’ ist es meine Vision, kooperativ mit anderen Kollegen und Verantwortlichen eine Struktur auf den Weg zu
bringen, die das Tal der Loreley zu einem attraktiven Urlaubsgebiet zu machen – mit meinem Schloss habe ich bereits erste Akzente gesetzt. Dieses wunderschöne Tal hat es nämlich verdient!“